50. Singwoche
Mold/Horn - 2023

Als Letzter pflegt vom Schiff zu geh‘n
nach altem Brauch der Kapitän.
Bei uns kam’s anders, als wir dachten,
und während wir noch Pläne machten,
der Franz, er war noch keine achtzig,
in den – aus dem Staube macht sich.
Noch froh zu sein in Todes Krallen,
das ist auch ihm nicht leichtgefallen.
War’s ihm ein Trost am Sterbebett
(da ich ihn gern besucht noch hätt‘),
dass hergeeilt der Kardinal
und ihn dem Herrgott anempfahl?
Es hat mir, um es klar zu sagen,
zunächst einmal die Red‘ verschlagen.
Noch mit dem Tod im Angesicht
konnt‘ ich humorvoll dichten nicht.
Doch nunmehr ist die Zeit gekommen,
dass ich nicht länger bin beklommen.
Franz hat mich Selbstvertrau‘n gelehrt.
Noch viele Jahre legt‘ ich Wert
darauf, dass er mir assistierte,
wenn ich hier mein Gedicht servierte.
Er musste mir den Startschuss geben.
Doch eines Tages fand ich eben,
ich könnte selbst das Wort ergreifen.
Er ließ die Menschen um sich reifen.
Dies gilt in noch viel höh’rem Maße
für Niki von der Probstdorfstraße.
Den hat er schrittweis‘ aufgebaut
und ihm sein Erbe anvertraut.
Er wusste: Mit dem geht es weiter,
der ist schon längst des Chores Leiter.
Und dass er just im Jubeljahr
aufsteigt zum Referenten gar
als Musikus der Diözese,
bestätigt die besagte These.
Es dreht sich voller Freude rund
Kleinwilfersdorf im Untergrund.
                               *
Jetzt also geht es wieder los,
in Křtiny nicht und nicht in Sooß,
vielmehr zum zweiten Mal in Mold.
Nicht nur das Wetter ist uns hold,
hier passt auch sonst so viel zusammen,
man kann relaxen ohne Schrammen.
Dabei: Wer hätte wohl gedacht,
dass man es sich gemütlich macht
und einmal abhält eine Sing-
woche im Maschinenring?
Sie kamen also wie gerufen
zu Wolfgang sitzend auf den Stufen,
zu Registrierung und Empfang
und zur Erklärung, wo’s geht lang.
Die meisten kamen wieder gern
wie immer gleich am Tag des Herrn.
Der Hannes lässt dem Junior
den Vortritt einen Tag zuvor.
Die Steinerts müssen‘s diesmal lassen
und hochzeitshalber leider passen.
Die Traute grüßt, wir grüßen sie,
wir sind ja eine Familie.
Cornelia ist zu Haus geblieben,
doch hat den Hans es hergetrieben.
Es kommt am Tag nach dem Gewitter
zu guter Letzt auch die Melitta.
Auch kommen Jakob, Julia
und auch ist Wolfgang Warum da,
bloß ohne ein Warummel-Shirt,
was aber nur die Hummeln stört.
Am Freitag schließlich trudeln ein
die Töchter Paar, von welchen drei’n
weit mehr bewegt die Katharina
als altes Zeug von Palestrina.
Zehn Tage noch bis zum Termin –
erleben wir womöglich ihn
noch während uns‘rer Sangeswoche?
Das würde krönen die Epoche.
                               *
Nick Pesl, tragend blaue Sneaker,
macht alsogleich als Keynote-Speaker
klar, wohin der Hase läuft,
wenn er des Abends nicht grad säuft.
Er lautet – dies begreift man schnell –
kurz: AMF goes NGL.
Gesponsert von den ÖBB
der CEO erklärt, dass eh
das AGL erhalten bleibt,
indem den Fahrplan er beschreibt
nach Linz, wo von der neuen Strecke
man Anschluss hat an jeder Ecke
zu einer alten Nebenbahn.
In diesem Sinne packt er’s an!
Der Schütz bleibt diesmal unbenützt,
wir sangen gleichsam ungeschützt.
Er ist in seinem Element,
wenn die Musik vor Sonne brennt.
Doch durften wir Orlando singen
und ungebremst den Lasso schwingen.
Zum Ausgleich aber schenkt er ein
von Udo J. „griechischen Wein“
und vollends ist der Niki da,
beim Lead-Song „Caminando va“.
Er zeigt des Neuen volle Breite –
und niemand sucht deshalb das Weite.
Der Niki, nunmehr Herr am Schiff,
verlangt als solcher letzten Schliff.
Schon gibt’s den Mitschriftenvergleich
im musikalischen Bereich
und Niki weiß auch hinzuweisen
auf künft’gen Anstieg in den Preisen
für jedes handgeschrieb’ne Wort
von ihm, ganz gleich an welchem Ort.
Er warnt uns vor der Domi-Nuss
wer sie verschmäht, der kriegt ein Plus –
und rügt die Herren oder Damen,
die singen anstatt patris amen
patrisa oder Partisanen.
Da lässt sich Großes schon erahnen!
Feststeht gewiss Madame Curie,
doch ist das Ypsilon ein Ü
im Kyrie desgleichen?
Der Frage war nicht auszuweichen
und Niki löst sie ohne Müh‘:
Hier sei ein „schmales, spitzes Ü“,
„ein Ü, das sich als I betrachtet“.
Er hat die Weisheit schon gepachtet.
Ein Phänomen für sich ist Niki –
so schreibt es jedenfalls die Wiki –,
weil er Performer ist und Tänzer
und nebenbei ein Influencer.
Man muss den Niki live erleben,
um alle Punkte ihm zu geben.
Er ist ein Riesen-Hampelmann,
der links und rechts was Andres kann
zugleich, und dies erhöht die Quote.
Schier alles steht ihm zu Gebote.
Such ich Vergleiche mit den Tieren,
die hoch wie er durchs Land stolzieren,
da fällt mir die Giraffe ein,
die groß ist, wenn sie noch so klein.
Man weiß: Wo die Giraffen sind,
sich auch ein liebes Zebra find’t.
In diesem Fall heißt es Linda
und wir freuen uns nicht minder,
dass sie mit uns, den alten Knackern,
gekommen ist Musik zu baggern.
                               *
Jetzt fehlt mir wie in alten Zeiten
die Zeit, das auf noch zu bereiten.
Da war zunächst der Themenabend.
Quer durch die Weltgeschichte trabend
der Hannes wieder ließ uns staunen
und uns vor so viel Wissen raunen.
Mir schien das alles wie ein Traum,
zurück bleibt mir der grüne Baum.
Realer schien mir da das Stretchen,
um besser unser‘n Stress zu matchen,
wie’s hat Angelika gezeigt.
Dem war ich gar nicht abgeneigt,
doch bin zum Unterschied von allen
beim Türkensitz ich umgefallen.
                                                                                              *
Es fehlen noch die Exkursionen
zum Schloss, wo Riesenvögel wohnen
zur Ro-, Ro-, Rosenburg, danach
in das Stift Altenburg gemach,
wo ich Abt Christian missbrauchte,
zu zeigen uns das so erlauchte
und wahrlich prächtige Gebäude
inmitten der Touristenräude.
So ist nur Eggenburg geblieben,
wo ich an Ort und Stell‘ geschrieben.
Die Eggenburger Kurzparkzone
ist grad für Gäste nicht ganz ohne.
Drum drängt auch uns es als Besucher
gleich wieder weg vom Café Bucher
hinab ins Tal zur Gilli-Mühle
beseelt von einer Will-i-Kühle.
Stattdessen auf dem heißen Platz
gemäß dem Spruch „Was’s wiegt, das hat’s“
wir stell’n uns auf die große Waage,
auf dass sie das Gewicht uns sage.
Indes ein Traktor und Anhänger
übertraf sogleich die Sänger.
Zum Horten in der Graselhöhle
wir kauften Lein- und and‘re Öle.
                               *
Schon reicht mir Hans als Drohgebärde
Gewächs aus heimatlicher Erde.
Ich weiß, dass ich noch danken muss,
doch diesmal reicht es für den Schluss
zu einem Reim, der nicht verwendet,
mit dem mein Text heut‘ plötzlich endet:
Des morgens trink ich jedenfalls
von Sonnentor den Frosch im Hals.

 

Wolfgang Bahr
Bildungswerkstatt Mold
Samstag, 15. Juli 2023, 20.45 Uhr

 

                                                              
Keynote Speaker: Hauptredner
AMF: Singwoche „Ars Musica ferialis“
NGL: Neues Geistliches Lied
AGL: Altes Geistliches Lied
CEO: Chief Executive Officer
Kleinwilfersdorf: Franz Forsthubers letzte Ruhestätte

 

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