SINGWOCHE SONNTAGBERG 2006

Von Anton Bruckner wird berichtet,
es habe, wenn er tongedichtet,
ein arger Zählzwang ihn getrieben.
Auch habe stets er aufgeschrieben
in einem Heft mit eigner Hand,
ward ein Gebet zum Herrn gesandt.

Dem Musikanten Gottes sei
gewidmet meine Reimerei,
denn schon am Mittwoch war mir klar,
das wird das Thema dieses Jahr:
der Zählzwang, der in diesen Höhen
einfach nicht zu übersehen.


Zuerst hat Eva sich geoutet:
War eines Liedes Nam` verlautet,
wusst` sie im „Gotteslob“ die Seite.
Sie kennt das Buch nach Länge, Breite,
und uns bleibt glatt die Spucke weg
vor der Frau Doktor Waclawek.

Dann hat die Heike uns bereichert,
weil sie gewissenhaft gespeichert,
dass wir um 16 Uhr geprobt
am Dienstag, wie der Franck gelobt
den Herrn; und auch die weitern Proben
sind bei ihr bestens aufgehoben.
Des Forschers Herz frohlockt und lacht:
Ihm wird das Forschen leicht gemacht.
Schon seh ich, die durch die Kirche führen,
aus Heikes Notenheft zitieren!

Der Werner müht sich auszubreiten
auf fünfunddreißig Mappenseiten
fünfzig Liadlen, weil ohne Zagen
zum fünfunddreißigsten Behagen
an der Musik der Chor sich findet
und zufällig sich dies verbindet
mit Werners rundem Wiegentag.
Wann der auch wirklich liegen mag –
schon ist man länger nicht verwundert,
dass er mit Raimund feiert hundert.

Unablässig wird gezählt:
das Notenheft, wenn eines fehlt,
oder wenn die Essportionen
entsprechen nicht den Gastpersonen.
Man zählt beim Tanzen seine Schritte
nach vorn, zurück und in die Mitte.
Man übt – einst mag es auch gelingen –
den Rhythmus gar beim Nasensingen.

Vorm Frühstück zählt wie Inkunabeln
der Franz gewissenhaft die Gabeln,
damit sie nach vollbrachter Speise
auch heimkehrn in bewährter Weise.

Man fragt beim vorgeburtlich Hören,
sofern wir nicht gerade röhren,
wie warm es wohl im Mutterleib
und wie das wohl in Butter bleib.

Es fragt, wer in der Ybbs will baden,
wie warm sie sei für seine Waden.
Hingegen läuft man um die Wette
in einer ganzen Menschenkette,
um das versprochne Reich zu erben
und nicht nur dessen kleine Scherben.

In neoliberalen Zeiten
man denkt sogar beim Tonbereiten
an Vorteil. Wer will schon verlieren
des Morgens beim Valoresieren?

Der Wettbewerb, von Kanzler Schüssel
verordnet und vom fernen Brüssel,
durchdringt subtil die Sängerrunde
und ist schon fast in aller Munde.

Es eifern wett die Bibelgneißer
von Bruners und die Beuschelreißer.
Ein kleiner Streit entartet schnell
nun zum Familienduell,
und wo ansonsten fromme Gruppen
löffeln ihre Einkehrsuppen,
ist eine Leinwand aufgespannt
und Fußballwut total entbrannt.

Man zählt, wie viele Würmer glühen;
und die bei dem Zhendong sich mühen,
sich steigern täglich beim Vibrieren,
das sie am ganzen Körper spüren.
Man zählt die Risse in der Wand
und auch die Dörfer im tiefen Land.

Zu guter Letzt Franz Ernst mich fragt,
ob ich wie er – so hat er`s g´sagt –
bemerkt, dass es fünf Tag` gedauert,
bis – darauf hat er wohl gelauert –
der Franz am Notenpult da vorn
das Wort „saufalsch“ hat erst verlorn.


Woher der ganze Zahlendrang,
verrät uns wohl der Glockenklang
der Kirche zur Dreifaltigkeit:
Hier ist`s zum Dreiklang niemals weit,
zum Beispiel zu den dreien Fränzen,
die sich so wunderbar ergänzen.
Der eine seinen Taktstock schwingt,
der zweite wie Caruso singt,
der dritte tänzelnd, aber wie,
die Hosen trägt in die Blanchisserie.
An Dreizahl leidet keinen Mangel
das Instrumentlein der Triangel,
und Raimund passt dem Glockenklang
gekonnt gar an den Chorgesang.

Natürlich hält sich neben drei
auch die nächste Zahl, die Zwei.
Es gibt die Paar, zähl ich nur recht,
zugleich in dreierlei Geschlecht:
Der, die und das sind wohlvereint,
wo Poysdorfs warme Sonne scheint.

Auch trifft man praktisch jedes Jahr
das obligate Schwedenpaar,
Herrn Doblhoff den Garten jätend
und obendrein katholisch betend.
Wer wollte es nicht Fügung nennen,
dass zwei von uns die Sprache kennen
und statt im heimatlichen Zöbern
am Sonntagberge Schwedisch strebern?

Und schließlich hält sich auch die Eins,
abgesehn vom Glas des Weins.
Es ist ja auch die Una sancta
am Sonntagberg schon ziemlich lang da,
und letztlich strebt nach Harmonie
der Chor und jede Melodie.

Von Jahren war ja schon die Rede,
was Stunden sind, weiß eine jede,
doch selbst an kurzen Intervallen
so manche findet den Gefallen.
Starren andere auf Stunden,
so nutzt die Gunst gar der Sekunden
die Biggy, die uns infiltriert,
dass Jericho wird abserviert.
Einstimmig lautet der Beschluss,
dem jedermann sich beugen muss.
Da staunt sogar das BZÖ:
So geht das eben in der Höh.

Und Biggy hat als letzten Trumpf
noch einen zweiten schwarzen Strumpf.
Wer wollte ihr noch widerstehen,
wenn wir sogar die Bänder sehen?
Allein der Nikolaus, der Sohn,
zeigt unbeeindruckt sich davon
und ruft nach einem Katzenjammer
keck aus: „Jetzt hat´s sogar die Mama.“
Auch er an der Musik sich labt
und, mathematisch hochbegabt,
erklärt das Ding mit einem Wort:
„Das ist ja ein Sekundakkord.“

Matthias wieder findig weiß,
wie man sich finanziert ein Eis.
Er bettelt Pilger an, des Mostes
voll, statt um ein Wort des Trostes
um ein paar Cent in seinen Hut.
Und auch als Springer ist er gut
in des Johannes bunten Bildern,
die uns beim Heurigen tun schildern.


So manches wär noch zu vermelden
von Helden und von Antihelden,
von Scherzen und von guten Werken,
die unsre Chorgemeinschaft stärken.
Auch der Brigitte sei gedacht,
der heuer nicht die Sonne lacht;
wir singen diesmal auch für sie
in sonntäglicher Symphonie.

Im nächsten Jahr, sagt die Renate,
die mit dem Wolfgang wieder Pate
steht für weitre Abenteuer,
es zieht uns in die Mark von Steier.
Im Stift Sankt Benedikts in Seckau
ich also demnächst meinen Speck kau.
Ich freu mich – ich kann`s nicht verhehlen –
schon heut aufs Kernöltropfenzählen.

© Wolfgang Bahr 2006

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