25. Sommersingwoche AMF 1996
Schloss Haindorf/Langenlois

FRAU MUSICA LÄDT EIN

Eine Liebesgeschichte

Frau Musica bei Kerzenschein
sitzt auf Schloss Haindorf ganz allein
und streichelt sanft ihr Silberhaar:
"Bald sind es fünfundzwanzig Jahr,
dass ich mit dem mich eingelassen!"
Sie kann es selber gar nicht fassen,
und sie beschließt zum Jubiläum
statt einer Fahrt ins Dorotheum
die alten Freunde einzuladen -
zum Singen, aber auch zum Baden,
denn jüngst ward alles renoviert
und auch ein Schwimmbad installiert.

"Indes, wen lad ich aller ein?
Wen hat er gern, wen läßt er sein?

Natürlich kriegt den Ehrenplatz
der Heinrich Schütz, sein größter Schatz.
Er ist der schwierigste der Gäste,
jedoch die Zierde aller Feste.

Als Dame setz ich vis-à-vis
ihm diesmal die Madame Kyrie,
und schräg davon den Palestrina
und von der Resi die Christina.

Ganz sicher kommt, nach längrer Pause,
auch Hugo Distler zu dem Schmause.

Daneben, obwohl ich sie kaum kenn,
plazier ich als Gag die Barbar' Ann –
ich will es auf die Spitze treiben
und sehn, wie sich die beiden reiben!

Sogar der Fendrich ist willkommen,
obwohl mir andre eher frommen".
(Zum Glück vermindert mit Gebärden
Johannes Wolfgangs Textbeschwerden.)

Schwer von der Liste zu streichen sein
wird auch der Freiherr von Reichenstein,
und denkend an Freund Dusika
entschließt sich die Frau Musica,
auch ein paar Radler einzuladen,
trotz der zu erwartenden Mückenschwaden.

Hingegen keine Gnade findt
diesmal der König Milesint;
der ist für so ein Fest zu düster,
und schließlich ist der Franz ein Priester.

So wird die Liste immer länger
und der Frau Musica stets bänger,
denn soll das ganze Fest gelingen,
muss man auch alle unterbringen.

Mitunter kommen ja ungefragt
auch Herzen im Dreivierteltakt,
und neben der lieben Silja Walter
erscheint viel Jugend in jedem Alter,
die ausgerechnet in diesen Tagen
sich mit der deutschen Sprach soll plagen.

Zuletzt sie stöhnt: "Auch dieses noch,
grad jetzt entfleucht mein guter Koch!"

Schon will sie ihre Segel streichen
und vor den Schwierigkeiten weichen,
da springen helfend ihr zur Seite
wie jedes Jahr getreue Leute,
die alles Praktische besorgen
und das Knowhow, das nötge, borgen.
Der Wolfgang ist's und die Renate;
die zieht sie immer gern zu Rate,
damit zu seinem Musenkuss
er nicht nach Leverkusen muss,
vielmehr kann Sommerlust gewinnen
mit seinen Sängern und Sängerinnen
in heimatlichen Schlössern, Stiften
und muss nicht ab ins Ausland driften.

"Doch halt, mir geht noch etwas ab!
Es fehlt noch was zum Dabadab.
Musik ist eine tote Kunst,
und es bedarf des Chores Gunst,
damit sich die papiernen Noten
erheben zum Leben von den Toten.
Es muss zum Jubiläumstreff
herbei auch noch die AMF!

Da fragt sich Frau Musica ganz bestürzt:
Was ist da eigentlich abgekürzt?
Sie hat's im Lauf der Zeit vergessen
und kramt daher jetzt wie besessen
nach alten Notizen in ihrem Schuber.
Sie findet "Also meint Forsthuber",
sie findet "Alle meine Freunde"
und fragt sich, ob die Chorgemeinde
nicht längst schon wäre anzuschauen
als lauter "Alte Männer, Frauen"?

Doch gottlob, so weit ist's noch nicht!
Da ist manch jugendlich Gesicht;
es werden die Wiederholungstäter
zum Seniorenklub erst später.

Und gibt's auch in Gegenwart Trautes
und Franzens des morgens die Laudes,
so ist der Chor doch kein clericalis,
vielmehr "Ars musica ferialis"!
"Ich hab‘s", entfährt's der edlen Dame,
"das ist für meine Groupies der Name!"

Auf dass sie sich nicht länger quäle,
lädt auf den Tanzboden der Seele
sie nunmehr die zuvor Genannten
und freut sich auch der Unbekannten,
die wie in den vergangnen Jahren
sich melden mittels Formularen.

Und an dem festgesetzten Tag
zu Ende ist der Planung Plag.
Es grüßet auf des Schlosses Stufen
Frau Musica alle, die sie gerufen;
es ziehn auf ihre Weise um
sechs Uhr sonntags ins Elaiseum
die AMF-ler mit Kind und Kegel.

Da schnellt hinauf der Freudenpegel
Frau Musicas, und ergriffen ganz
sagt sie zu ihrem geliebten Franz:

"Der ganze Himmel zieht herein!"

Möge es noch oft so sein.

© Wolfgang Bahr 1996

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