Drosendorf 1981

In Drosendorf im Schlosse
Herr Franz mit seinem Trosse
Quartier genommen hat.
Er schreckt mit seiner Meute
die armen andern Leute
im Schloss und in der Stadt.

Des Morgens in der Frühe,
da geben sie sich Mühe
und fall‘n nicht weiter auf.
Sie schleppen sich zur Probe,
auf dass den Herrn man lobe
und erstens einmal schnauf.

Auf jene, die noch schlafen,
mit seinem Blick zu strafen
ein Hündlein blickt herab.
Mit finsterer Gebärde
Herr Franz zwingt seine Herde
zum daba daba dab.

So manche hart Nuss
von Herrn Praetorius
wird nun geknackt;
bei manchem schweren Passus
von Herrn Orlando Lassus
ist man schon abgesackt.

Herrn Distlers Dissonanzen
erfreuen sehr Herrn Franzen
in seinem Herlzlein fein;
doch der Tirolerbua
mit seiner Muh-muh-Kuah
erfreut das Trixilein.

Nach allzustarkem Dröhnen
mag den Herrn Franz versönen
mit uns das Chorgebet,
sofern lokalen Fehden,
die hier betreffen jeden,
dies nicht zuwidersteht.

Doch weh! Die Nachmittage
sind eine wahre Plage
für ihren Chrogesang,
sei es nun, dass sie ruh’n,
sei es etwas and’res tun:
Sie tun es allzu lang!

Die Horde machet schlapp,
die Zeit wird allzu knapp,
wo bleibt das hohe C?
Die Sänger sind gehetzt,
der Abend ist besetzt:
Juche, Gaude – o weh!

Es sitzt beim Wein die Runde
noch um die zwölfte Stunde
und scheuet kein Gewitter.
Doch zieht sie erst nach Haus
mit chorischem Gebraus,
wird’s für den Rudi bitter!

Die Mädchen, sonst so nett,
ergreifen keck sein Bett
und nehmen es mit sich.
Sogar dem Schlossgespenst,
das sonst hier unbegrenzt
regiert, gibt’s einen Stich,

in Öst’reichs kaltem Norden,
sie wüten voll und ganz.
Mög sich der Herr bequemen
und treiben fort nach Böhmen
die Leute des Herrn Franz,

auf dass der alte Frieden
dem Schlosse sei beschieden
und uns nicht länger plagt
Herrn Franzens wilde Jagd!

© Wolfgang Bahr 1981

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