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Erste Lokomitiven

Die Strecke über den Semmering nahm immer mehr Gestalt an, aber mit welchen Lokomotiven man die Strecke befahren wollte, war noch ungeklärt. Die Strecke wies enge Radien und grosse Steigungen auf. Auf Grund seiner Auslandsreisen wusste Ghega, dass Steigungen von 25 Promille für Lokomotiven kein Problem waren, jedoch wies die Semmeringstrecke Steigungen von 40 Promille und mehr auf. Die Frage, wie hoch Anhängelasten sein dürfen, damit die Strecke noch zu bewältigen ist, war noch ungeklärt.

Ausschreibung der Lokomotiven

In einem Gespräch zwischen Ghega und Freiherr von Bruck wurde festgelegt, eine Ausschreibung unter den führenden Lokomotivherstellern in Europa durchzuführen. Diese Ausschreibung wurde auch durchgeführt. Den Ausschreibungstext hier unterzubringen wäre Seitenfüllend, deshalb hier einige Auszüge:

"Zur Überwindung dieser Schwierigkeiten handelt es sich vorzugsweise um die Ermittlung derjenigen Lokomotivkonstruktion, durch deren allgemeine Anwendung der seinerzeitige Betrieb sowohl möglichst sicher und regelmäßig als auch möglichst ökonomisch ausgeführt werden kann."

"Der K. k. Österreichische Minister des Handels, der Gewerbe- und öffentlichen Bauten hat mit allerhöchster Genehmigung beschlossen, zur Lösung dieser Aufgabe alle jene in Anspruch zu nehmen, welche sich berufen und geneigt finden, den Fortschritt im Lokomotivbau, speziell in der Anwendung auf den in Rede stehenden Zweck, zu fördern, und hat für denjenigen, welcher die entsprechende Lokomotive projektiert, erbaut und abliefert, einen Preis von 20 000 Stück vollwichtigen kaiserlichen Dukaten bestimmt."

"Die besagte Eisenbahn, auf welcher die zu erbauende Lokomotive Dienst zu tun bestimmt ist, überschreitet den Rücken des Semmeringgebirges in einer Höhe von 464,8 Wiener Klafter über der adriatischen Meeresfläche und hat von dem höchsten Punkte bis zu dem in Niederösterreich gelegenen und 3,8 Meilen in Richtung der Bahn entfernten Endpunkte am Gloggnitzer Bahnhof einen Fall von 243,3 Klafter und bis zu dem in der Steiermark gelegenen und 1,6 Meilen in der Richtung der Bahn entfernten Endpunkte am Mürzzuschlagener Bahnhof einen Fall von 114,2 Klafter."

"Die steilsten der verschiedenen Steigungen bzw. Gefälle sind solche von 1:40 und die längste der Steigungen von 1:40 beträgt 1671 Klafter; der kleinste Halbmesser der verschiedenen Kurven hat 100 Klafter. Jedoch kommen bei den stärksten Steigungen von 1:40 keine kleineren Halbmesser als solche von 150 Klafter vor. Die längste der Kurven mit diesem Halbmesser und auf der größten Steigung erstreckt sich auf 203 Klafter."

Zur Erklärung des Begriffes Klafter:

War ursprünglich die Spannweite der Arme, ein altes im deutschsprachigem Raum verwendetes Längenmaß. Das Klafter war in der Maßeinheit örtlich verschieden und konnte zwischen 1,7 aber maximal 2,5 Metern betragen. Es wurde auch als altes Maß für Schlichtholz verwendet und entsprach etwa 3 Raummetern. 1 Wiener Klafter zu 6 Schuh zu je 12 Zoll = 1,9 Meter


Die Ausschreibung sah als Ablieferungstermin den 31. Mai 1851 vor. Es bewarben sich nur vier Fabriken. Es waren dies zwei einheimischen Fabriken, nämlich die Fabrik Günther in Wiener Neustadt und die Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Bahn. Aus dem Ausland kamen Bewerbungen von den Firmen Maffei aus München und Cockerill aus Séraing bei Lüttich.

Die Auslieferung der Lokomotiven zog sich aber bis Juli 1851 hinaus. Ghega hatte jedoch keine Geduld und so unternahm er mit der "Save" Probefahrten. Er hatte diese Lokomotive von den südlichen Staatsbahen. Die "Save" wurde von der Firma Norris in Philadelphia geliefert worden.
Ghega war von der Probefahrt beeindruckt und bestärkte ihn in seiner Ansicht, daß Adhäsionslokomotiven derartige Steigungen überwinden können. Die Probefahrt führte von Payerbach bis über Küb hinaus. Die Anhängelast betrug 85 Tonnen und die durchschnittliche Geschwindigkeit lag bei 20 km/h.

Die Lokomotiven der Ausschreibung

Im August 1851 war es soweit. Die vier Lokomotiven der Ausschreibung waren in Payerbach angekommen. Es waren dies die "Bavaria" der Maschinenfabrik Maffei, die "Séraing" der Fabrik Cockerill, die "Vindobona" der Lokomotivfabrik der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn und die "Wiener Neustadt" der Maschinenfabrik Günther.

Die Prüfungskommission, die aus in- und ausländischen Direktoren von Bahnverwaltungen bestand, begutachteten die Lokomotiven. Man stellte fest dass der Achsdruck aller vier Lokomotiven wesentlich höher als bei der Ausschreibung war. Man akzeptierte dies und begann mit den Testfahrten.

Hier eine Tabelle der erreichten Leistungen bei einer Steigung von 40 Promille:

Lokomotive "Bavaria" "Seraing" "Wiener Neustadt" "Vindobona"
Gewicht in Zentner 2640 2523 2500 2500
Meilen pro Stunde 2,44 1,88 1,5 1,5


Die "Bavaria" überbot die an sie gestellten Forderungen bei weitem und ausserdem hatte sie einen günstigen Brennstoffverbrauch. Die Maschinenfabrik Maffei erhielt den ausgeschriebenen Preis von 20 000 Dukaten. Die drei anderen Maschinen wurden von der Bahnverwaltung auch angekauft.

Am 21. September 1851 beendeten die Preisrichter ihre Tätigkeit und kamen zu einem skurilen Resultat:

"Keine der Lokomotiven ist für den Dauereinsatz am Semmering zur Beförderung der Züge geeignet."


Die Engerth-Dampflokomotiven

Mit den Erkenntnissen der Probefahrten machte sich der Leiter des technischen Rats des K. k. Ministeriums für Handel und Gewerbe Freiherr Wilhelm von Engerth an die Ausarbeitung eines neuen Lokomotivprojekts. Er legte die Pläne für die neuen Lokomotiven der Regierung vor. Diese gab den Auftrag zum Bau von 26 Engerth-Lokomotiven an die belgische Société Cockerill, die ja schon die "Seraing" gebaut hatte, und an die Lokfabrik Kessler aus Württemberg.

Die ersten beiden Maschinen, die "Kapellen" von Kessler und die "Grünschacher" von Cockerill, waren im November 1852 angeliefert worden. Man begann sofort mit Probefahrten und stellte fest, daß beide Maschinen ohne Probleme eine Last von 140 Tonnen über den Semmering befördern können. Zur Beförderung von Personenzügen am Semmering und von Güterzügen auf Flachlandstrecken konstruierte man grössere Treibräder für diese Lokomotiven. Damit war eine Lokomotive vorhanden, um die Semmeringstrecke zuverlässig befahren zu können.
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