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Der Bahnbau

Wie in der Biographie Ghegas erwähnt holte ihn H. Francesconi zum Bau der Kaiser-Ferdinads-Nordbahn nach Wien (1836). Ghega arbeitete zwei Projekte für die Semmeringbahn aus und legte diese 1844 Francesconi vor.


Vorschlag 1
Die Trasse der Wien-Gloggnitzer Bahn bis Payerbach verlängern. Über ein Viadukt auf die gegenüber liegende Talseite führen und danach in vielen Kurven bis Eichberg hinauf. Von hier aus die Trasse zur Ruine Klamm, am Adlitzgraben bis zum Falkensteinloch entlang und schliesslich hinauf zur Passhöhe. Von der Passhöhe durch einen Tunnel, mit ungefähr 1400 Metern, in die Steiermark hinein. Nach dem Tunnel entlang des Fröschnitzbachs nach Mürzzuschlag und Anbindung an die Bahnlinie Mürzzuschlag-Graz.
Foto: Sammlung Heless
Vorschlag 2
Bei Neunkirchen von der Wien-Gloggnitzer Bahnlinie abzweigen. Über Kranichberg und Schloß Wartenstein bis Maria Schutz. Von hier aus den Myrthengraben auf einer großen Brücke überqueren und die Passhöhe erreichen. Die weitere Strecke bis Mürzzuschlag sollte wie beim ersten Vorschlag verlaufen.
Bei beiden Vorschlägen rechnete Ghega mit einer Streckenlänge von ungefähr 40 Kilometern. Ghega wollte eine Bahn in Harmonie mit Natur und Landschaft. Er plante alle Bauten mit Stein und Ziegeln, damit sich die Strecke in das Landschaftsbild einfügt.
Diese beiden Pläne ruhten vier Jahre lang in einer Schublade Francesconis ohne dass irgendeine Entscheidung getroffen wurde. Doch mit der Revolution von 1848 kam die Wende und der Auftrag zum Bau der Semmeringbahn.


Kurzer Exkurs zur Revolution 1848

Anfang 1848 wurde Frankreich von schweren inneren Unruhen erschüttert. Diese Unruhen ergriffen kurz darauf ganz Europa. Am 13. März 1848 brach in Österreich die erste Revolution gegen die bestehende Gesellschaftsordnung aus. Durch innere und äußere Wirren drohte der Donaumonarchie die Spaltung. Die staatliche Autorität war verloren. Plünderungen, Übergriffe und Ausschreitungen waren an der Tagesordnung. Feldmarschall Radetzky musste Mailand, angesichts der Übermacht der national gesinnten italienischen Armee verlassen. Es kehrte erst wieder Ruhe in der Lombardei ein, als Radetzky die italienische Armee bei Vicenza besiegen konnte. Danach kehrte in dieser Region des habsburgischen Reiches Ruhe ein.
Selbst in Ungarn wurde die Armee von Aufständischen geschlagen. Die Kämpfe forderten viele Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Der damalige Minister für öffentliche Arbeit, Andreas Freiherr von Baumgartner, beabsichtigte zur Linderung der Arbeitslosigkeit Notstandsarbeiten durchführen zu lassen. Geplant war die Regulierung der Donau bei Wien oder den Bahnbau am Semmering in Angriff zu nehmen.

Baubeginn

Ghega gelang es nun, seine detaillierten Pläne, die ja schon vorhanden waren, durchzubringen. Am 27. Juni 1848 (offizieller Baubeginn) unterzeichnete Freiherr von Baumgartner ein entsprechendes Dokument zum Bau der Semmeringbahn. Nachdem die Pläne zum Bau der Semmeringbahn durch einen Erlaß in die Öffentlichkeit gelangten, kam heftige Kritik der Presse auf. Es hieß, dass das Unternehmen eine "Verschleuderung von Staatsgeldern für ein unmögliches Experiment" sei. Doch man hielt am Bau der Bahn fest.

Ghega richtete sein Büro im Kronenhaus in Schottwien ein. An seiner Seite hatte er den Leiter des Bauinspektorats, Ingenieur Philip Bolze und qualifizierte Techniker, die schon bei Bahnbauten Erfahrung gesammelt hatten. Der erste Bauabschnitt, Gloggnitz-Payerbach, wurde dem Wiener Bauunternehmer Hablitschek übertragen. Er beschäftigte 5000 Arbeiter die, wegen der fehlenden Unterkunftsmöglichkeiten, tagtäglich von und nach Wien reisten.
Bis zum Frühjahr 1849 kamen die Arbeiten nur schleppend voran. Viele kleine technische und sachliche Probleme sowie immer neue Unruhen hemmten die Arbeiten an der Strecke.

Foto: Sammlung Heless
Am 1. März 1849 sprach Kaiser Franz Joseph I. ein Machtwort:

"Der Bahnbau über den Semmering ist fortzusetzen!"


Diese Anweisung von höchster Stelle blieb nicht ungehört. Die Strecke wurde in 14 Abschnitte eingeteilt und verschiedene Bauunternehmungen wurden mit dem Bau der Abschnitte beauftragt. Der Bau lief nun voll an. Es wurden Barackenlager errichtet um keine langen Anreisen von Wien in Kauf nehmen zu müssen. Lager um Lager entstand an den Bauabschnitten. Insgesamt waren in den Lagern um die 20.000 Arbeiter mit Kind und Kegel untergebracht.

Kritik am Bahnbau

Immer wieder sahen sich die Erbauer mit Kritik konfrontiert. Zeitungen und auch Ingenieur- und Architektenverein kritisierten den Bau. So hieß es von Seiten der Vereine:

"Für eine Eisenbahn über den Semmering ist der Seilbahnbetrieb in der kürzeren Linie die einzige durch Wissenschaft begründete und durch Erfahrung gerechtfertigte Betriebsart und bietet einen solchen Vorteil gegenüber dem Lokomotivdienst auf sinnlos verlängerten Serpentinen, daß in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Seildienst wohl kein Fortschritt, aber ein Gebot und der Lokomotivdienst kein Rückschritt, aber der größte Mißgriff ist!"

Ein weiterer Kommentar zum Bau der Bahn fand sich in einer Wiener Tageszeitung (18. April 1949):

"Männer vom Fach wundern sich über das Ministerium für öffentliche Arbeiten adoptierte System, das die Erfahrungen der letzten neun Jahre ganz unberücksichtigt lässt. Fachleute des Auslands haben als höchste zulässige Steigung 1:100 nachgewiesen. Die bereits ausgeführten Steigungen 1:40 und 1:30 sind Ausnahmefälle, können in die Reihe jener Verirrungen des menschlichen Geistes gestellt werden, die keine Nachahmung verdienen und keine Berufung gestatten."

Durch solche Kritiken ließ sich der neue zuständige Minister, Karl Ludwig Freiherr von Bruck nicht beirren. Er stand fest hinter Ghega und seinen Ingenieuren und dem Projekt Semmeringbahn. Er selbst war an der Bahnverbindung Wien-Triest interessiert, da er Gründer und Direktor des Österreichischen Lloyds in Triest war.

Probleme an der Strecke

Die Arbeiten konnten unabhängig voneinander vorangetrieben werden. Der schwierigste Abschnitt war die Errichtung des 1400 Meter langen Scheiteltunnels (Baubeginn 1849). Probleme gab es mit vielen Gesteinsschichten, dem Gebirgsdruck und den unterirdischen Quellen. Der Tunnel wurde nicht wie heute horizontal vorangetrieben. Damals grub man vertikale und schräge Schächte von oben her bis auf die Höhe der späteren Tunnelsohle. Von diesen Schächten aus wurde der Stollen ausgehoben und das herausgesprengte Gestein abtransportiert. Die Sprengungen erfolgten mittels Schwarzpulver, das es nur etwa ein Achtel der Sprengkraft von Dynamit hat.

Ein Problem das man jahrelang nicht in den Griff bekam waren die austretenden Quellen im Scheiteltunnel. Besonders im Winter verursachten Vereisungen im Tunnelinneren Probleme. Man hat an den beiden Tunnelportalen Türen angebracht, die nur für die Durchfahrten geöffnet wurden. Doch dies löste die Vereisungen im Tunnel nicht. Um 1850 baute man in der Station Semmering ein Gaswerk, später eine Kohlekraftwerk, womit man den Tunnel beleuchtete und vor allem heizen wollte. Doch diese Massnahme war auch nur bedingt wirksam.
Der Tunnel war völlig mit Ziegeln ausgemauert, nur die Portale und die Fundamente waren mit Quadern befestigt. Auch traten immer wieder Quellen durch die Mauer, was zu erheblichen Beschädigungen führte. 1854/55 mussten Ausbesserungsarbeiten durchgeführt werden. Die Ziegel wurden teilweise durch Quader ersetzt. Austretende Quellen wurden gefasst und in einem Kanal zwischen den Gleisen bis zum Bahnhof Semmering geleitet, wo sie in einer Zisterne gesammelt wurden. Das Wasser verwendete man zur Versorgung der Dampflokomotiven.

Die ersten Toten beim Bau

Ein schwieriger Abschnitt war die Weinzettelwand. Der Fels ragt fast 250 Meter senkrecht Foto: Sammlung Asmusaus dem Adlitzgraben empor. Ghega wollte eine Plattform in den Fels sprengen und diese mit Stützen sichern. Jedoch machte ihm das lockere Gestein zu schaffen. Immer wieder gab es Abbrüche und Felsstürze. Trotz angeordneter Sicherheitsmassnahmen von Ghega stürzte am 27. Oktober 1850 ein Grossteil der Wand in die Tiefe und riss 14 Arbeiter mit in den Tod. Ghega verwarf seinen Plan und ließ drei Tunnel durch den Berg treiben. An den Stellen wo das Gestein zurücktrat, ließ er durch Galerien miteinander verbinden. So entstand der Weinzettel-Tunnel mit seinen gewölbten Öffnungen.
Ein weiteres Unglück ereignete sich 1851 bei einer Sprengung im Bauabschnitt Klammtunnel. Ein Teil eines Stollens brach ein und verschüttete zwei Arbeiter. Einer konnte lebend nach 104 Stunden!!! geborgen werden.

Krankheiten machen sich breit

Mehr Sorgen als die Arbeitsunfälle bereiteten die Krankheiten die auftraten. Cholera und Typhus breiteten sich unter den Arbeitern aus. Man hatte zur damaligen Zeit noch keine Medikamente gegen diese Krankheiten. In der Pfarre Klamm registrierte man von 1850-1852 fast 800 Todesfälle. Die meisten Toten sind auch in Klamm begraben. In den Lagern Kalte Rinne, Weberkogel und Schottwien hatte man Notspitäler eingerichtet. Die Lager waren jedoch hoffnungslos überfüllt. Viele Arbeiter starben ohne ärztlichen Beistand.

Baustellentourismus, erste inoffizielle Fahrten und Eröffnung der Strecke

Beim Bau der Semmeringbahn waren Besuchsfahrten sehr beliebt. Sowohl das "gemeine Volk" als auch Hochgestellte Persönlichkeiten, Politiker und Diplomaten, aus dem In- und Ausland, kamen um die Baustelle Semmeringbahn zu besichtigen.

Am 12. Oktober 1853 wurden in der Nähe der "Kalten Rinne" die letzten Gleise verlegt. Damit war die Strecke von Gloggnitz bis Mürzzuschlag durchgehend zu befahren. Die ersten offiziellen Fahrten waren am 23. und 24. Oktober 1853 statt. Die Zuglolomotive war die "Lavant" der südlichen Staatsbahn. Mit ihr zeigte Ghega, dass es möglich war, mit einer normalen Lokomotive, die Strecke zu befahren. Am 12. April 1854 fuhr Kaiser Franz Josef I. erstmals über die Semmeringstrecke. Ghega war bei ihm und erklärte persönlich dem Kaiser den technisch aufwendigen Streckenverlauf. 1854 begann der regelmässige Güterverkehr zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag.
In den Wintermonaten 1853/1854 ließ Ghega das zweite Gleis verlegen. Auch die Stationsgebäude, Güterhallen und Bahnwärterhäuser wurden in diesem Winter errichtet. Im Frühjahr/Sommer 1854 wurde die Semmeringbahn endgültig fertiggestellt. Die Bahnwärterhäuser baute man nach dem Vorbild der Straßenwärterhäuser an der Stilfserjoch-Strasse.
Am 17. Juni 1854 wurde der planmässige Personenverkehr über den Semmering aufgenommen.

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