PFARRKIRCHE ZUM HL. NIKOLAUS

in ALTLICHTENWARTH

ErzdiözeseWien Weinviertel, Niederösterreich

I. GESCHICHTE

Am 7. Juni 1232 wurde in Wien das Dokument ausgestellt, in dem Altlichtenwarth zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. Inhaltlich geht es um eine Rechtssache, die der Babenbergerherzog Friedrich der Streitbare unterfertigt. Unter den genannten Zeugen findet sich der Pfarrer des Ortes "Marchwardus de Liehtenwart". In seine Amtszeit fällt der große Umbau der Kirche in den Jahren 1230/1240. Die Anfänge der Pfarre gehen aber viel weiter zurück.

Als der spätere Kaiser Otto der Große 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld über die Ungarn siegte, hörten auch bald die ungarischen Einfälle in das Gebiet des heutigen Niederösterreich auf. Hier wurde ab 976 die sogenannte Babenbergische Mark eingerichtet, die die Keimzelle des heutigen Österreich werden sollte.

Parallel zum Ausbau dieser Mark erfolgte auch die erste kirchliche Organisation dieses Gebiets durch die Bischöfe von Passau. Das Bistum Passau war schon im 9. Jahrhundert zum Missionsbistum für das Gebiet nördlich der Donau geworden.

Mit dem Wachsen der Mark dehnte auch das Bistum Passau seinen Wirkungsbereich aus und erreichte mit der Thaya, der March und der Leitha im 11. Jahrhundert seine endgültigen, bis ins 18. Jahrhundert in dieser Form bestehenden Grenzen. Erst seit 1785 gehört das Viertel unter dem Manhartsberg, und damit auch die Pfarre Altlichtenwarth, zur Erzdiözese Wien. Das 11. Jahrhundert war in kirchlicher Hinsicht durch die Errichtung von Großpfarren gekennzeichnet. Im 12. Jahrhundert wurden im Zuge des fortschreitenden Landesausbaus in der Regel Kleinpfarren, die sich meist auf den Pfarrort und seine nächste Umgebung beschränkten, gegründet.

Die Initiative zu diesen Pfarrgründungen ging meist von den Grundherren aus. Altlichtenwarth und seine Umgebung sind Urbesitz der Liechtensteiner seit dem 12. Jahrhundert. Auf dieses Geschlecht dürfte auch die Gründung der Pfarre im 12. Jahrhundert zurückgehen.

Altlichtenwarth wurde von keiner anderen älteren Pfarre abgetrennt. Die Pfarrer von Altlichtenwarth hatten bis 1848 den sogenannten Drittelzehent

(den dritten Teil der Zehentabgaben) in Altlichtenwarth und Hausbrunn. Wäre der Ort von einer älteren Pfarre abgetrennt worden, dann wären die Zehentrechte bei dieser verblieben.

Die sogenannten Kollationsgebühren (Abgaben an die bischöfliche Kanzlei bei jeder Pfarrbesetzung) waren für Altlichtenwarth deutlich höher als für die Pfarren der Umgebung. Aus diesem Umstand ist zu schließen, daß die Gründung der Pfarre noch in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zu datieren ist. Bis 1784 umfaßte die Pfarre den Ort Altlichtenwarth und die Filiale Hausbrunn. Im Zuge der josephinischen Pfarregulierung wurde Hausbrunn zu einer eigenen Pfarre erhoben.

Aus der Geschichte des Ortes im Mittelalter ist wenig bekannt. Das Liechtensteinische Urbar von 1414 verzeichnet erstmals die Einwohner des Ortes mit ihren Rechten und Besitzungen. Unter den Winzern wird ein Herr "Marichart von Schönstraß" genannt. Den Familiennamen "Marchart", der in der Mundart "Marichart" ausgesprochen wird, gibt es bemerkenswerterweise nach fast 600 Jahren immer noch im Dorf.

Schönstraß, Rothenlehm und Entzesbrunn sind im 15. Jahrhundert abgekommene Dörfer im heutigen Gemeindegebiet, deren Einwohner im Urbar ebenfalls verzeichnet sind.

Kaiser Franz Josef-Strasse, um 1900

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Im 15. Jahrhundert dürfte Altlichtenwarth von den Hussitenkriegen betroffen gewesen sein. Die 1464 für die Pfarrkirche gegossene Glocke trug die Aufschrift "König der Herrlichkeit, komm mit Deinem Frieden", was durchaus als Hilferuf in Kriegszeit zu verstehen ist.

Das 16. Jahrhundert bedeutete für fast alle Pfarren Niederösterreichs einen Niedergang. Ursachen dafür sind unter anderem die Türkeneinfälle der Jahre 1529 und 1532. Pfarrer Eckhart klagt im Jahr 1562, daß Altlichtenwarth und Hausbrunn vor Jahren abgebrannt und verschiedene Äcker öd seien. Noch 1601 wird der Pfarrhof als baufällig beschrieben.

Eine weitere Ursache für den pfarrlichen Niedergang war die Reformation. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts fand die reformatorische Bewegung Eingang in Altlichtenwarth, zumal auch die Patronatsherren, die Herren von Liechtenstein, zunächst - wie der Großteil des niederösterreichischen Adels - Anhänger und Förderer des neuen Glaubens waren.

1599 kehrte Karl I. von Liechtenstein wieder zur katholischen Kirche zurück. In der Folge förderten die Liechtensteiner ganz massiv die Gegenreformation und die katholische Erneuerung.1610 wurden die Altlichtenwarther aufgefordert, die "ketzerischen Bücher" bei Strafandrohung abzuliefern.

Noch 1657 wird die Befürchtung ausgesprochen, daß die Leute "in den alten Irrtum fallen und den ungarischen Prädikanten aufsuchen". Doch letztendlich war die Gegenreformation erfolgreich. Im 18. Jahrhundert ist von "ketzerischen Büchern" und "alten Irrtümern" keine Rede mehr. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) war auch das Weinviertel von Kampfhandlungen betroffen. Im März 1645 drang die Schwedische Armee unter Führung von General Torstenson im Weinviertel ein. In der Folge kam es zu ausgedehnten Kampfhandlungen zwischen Schweden und Kaiserlichen. Die Zivilbevölkerung hatte nicht nur an den Kampfhandlungen, sondern auch an den massiven Plünderungen von beiden Seiten, Schweden und Kaiserlichen, zu leiden. Dazu kam noch die im Winter 1645/ 46 grassierende Pest.

Erst im Sommer 1646 gelang es unter der Führung von Johann Christoph von Puchheim, die Schweden aus dem Land zu drängen. Die Bilanz am Ende des Krieges war katastrophal. Ein Drittel des Landes Niederösterreich war kriegszerstört, wobei das Weinviertel am schlimmsten betroffen war. 58 % des Hausbestandes waren verwüstet.

In diesem furchtbaren Jahr kamen in Altlichtenwarth 309 Personen um. Eine Liste der "Verstorbenen und Erschlagenen bei der Verfolgung durch Schweden und Ungarn bzw. Anhänger des Georg Rakoczy 1645 und 1646" hat sich in der Pfarrmatrik erhalten. Unter den 309 Toten befanden sich 172 Kinder und Jugendliche.

Der Ungar Georg I. Rakoczy war der kalvinistische Herrscher des Fürstentums Siebenbürgen. Erhatte sich mitden Schwedengegen die Kaiserlichen verbündet und zog Juli/August 1645 mit seinen Truppen durch das nordöstliche Weinviertel. Auf seine Truppen bezieht sich wahrscheinlich die Sage vom "Blutbad am Kirchweihtag", die sich in Altlichtenwarth erhalten hat. Es wird berichtet, daß die Leute aus ihren Verstecken kamen und das Kirchweihfest feierten, nachdem die Soldaten mordend und sengend das Dorf verlassen hatten. Doch der abziehende Feind hörte das Glockengeläute, kehrte zurück und richtete in der Kirche ein solches Gemetzel an, "daß das Blut in Strömen über die Kirchenschwelle rann".

Massive Entvölkerung, abgebrannte Häuser, verwüstete Felder und in der Folge Hunger waren die Bilanz des Krieges. Äcker und Weingärten blieben auf Jahre hin unbebaut. Mehr als zehn Jahre später noch mußte die auf Grund der fehlenden Einkünfte hoch verschuldete Pfarre um Steuernachlaß ansuchen.

1679 forderte eine Pestepidemie in Altlichtenwarth 134 Tote. Die Gemeinde stiftete eine Kapelle zu Ehren der Pestheiligen Sebastian, Rochus und Rosalia und gelobte, "den Tage des hl. Sebastian als Feiertag zu halten". Noch heute wird an diesem Tag eine Prozession zur Pestkapelle abgehalten. Anfang des 18. Jahrhunderts ist Altlichtenwarth von den Kuruzzenunruhen betroffen. Die Kuruzzen waren ungarische Aufständische unter der Führung von Ferenc Rakoczi. Sie nannten sich "Kreuzfahrer", lateinisch "cruciati". Daraus entstand die Bezeichnung "Kuruzzen".

Nach den erfolgreichen Türkenkriegen konnte Ungarn zur Gänze wieder für das Habsburgerreich zurückgewonnen werden. Von Wien aus wurde allerdings in der Folge eine stark zentralistische Politik betrieben, die den ungarischen Adel zu heftigem Widerstand veranlaßte.

Von 1701 bis 1714 wurde der Spanische Erbfolgekrieg geführt. Die ungarischen Magnaten sahen die Chance gekommen, sich gegen Österreich zu erheben, unterstützt von Frankreich, das lebhaftes Interesse hatte, das Habsburgerreich zu schwächen.

Seit 1702 kam es im Weinviertel immer wieder zu Einfällen mit Plünderung und Brandschatzung. Im Jahr 1706 erreichten die Unruhen ihren Höhepunkt. Die Kuruzzen nahmen mit einer Truppe von 16.000 Mann die Stadt Zistersdorf ein und ermordeten 400 Personen. In Altlichtenwarth kamen in diesem Jahr 1706 bei einem Kuruzzeneinfall 77 Personen ums Leben. Das ist einer Liste zu entnehmen, die dem Sterbebuch beigelegt ist.

Die genaueren Umstände sind nicht bekannt. Bemerkenswert ist allerdings, daß die Liste bezeichnet ist als "Verzeichnis aller derjenigen, welche in Erdställen verblichen sind". Erdställe sind unterirdische Fluchtgänge, die in den Lößboden gegraben wurden und vermutlich aus dem Mittelalter stammen. Sie wurden bis zum Zweiten Weltkrieg bei Feindgefahr verwendet. Erdställe sind im ganzen Weinviertel nachweisbar.

Aus den Franzosenkriegen erreicht uns aus dem Dorf keine Nachricht. Wie aber aus der Umgebung bekannt ist, darf mit Einquartierungen französischer Soldaten sowohl 1805 als auch 1809 gerechnet werden. Furchtbar getroffen wurde Altlichtenwarth von den Choleraepidemien im 19. Jahrhundert. Von 1831 bis 1866 wütete die Cholera viermal in Altlichtenwarth. Der Höhopunkt war 1849. Mit 103 Todesopfern innerhalb eines Monats ist Altlichtenwarth der am schwersten betroffene Ort der Umgebung. Bei knapp 1.000 Einwohnern starben mehr als 10 % der Bevölkerung.

Der Krieg gegen die Preußen 1866 brachte zwar wieder einmal Masseneinquartierungen, doch die Preußen benahmen sich der Bevölkerung gegenüber, zu deren Uberraschung, sehr human. Das größere Problem war das neuerliche Aufflackern der Cholera, die im Gefolge der Soldaten in der ganzen Umgebung wieder auftrat.

Die politischen Umwälzungen 1848 brachten auch für Altlichtenwarth die Auflhebung der Grundherrschaft. Die zwei wichtigsten Herrschaften waren der Fürst von Liechtenstein, der in unmittelbarer Nähe, in Feldsberg/ Valtice, seinen Hauptsitz hatte, und die Pfarrherrschaft Altlichtenwarth. Sowohl der Fürst Liechtenstein als auch die Pfarre gehören heute noch zu den größten Grundbesitzern im Dorf.

Der Erste Weltkrieg kostete 57 Kriegsteilnehmern aus dem Dorf das Leben. An den Fronten des Zweiten Weltkriegs verlor Altlichtenwarth 74 Männer. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg war das Dorf im April 1945 direkt Kriegsschauplatz. Am 7. April überschritten sowjetische Truppen bei Hohenau die March. Nach einer Woche blutiger Kämpfe fiel Hohenau am 14. April in russische Hand, die Deutschen zogen sich nach Hausbrunn und Rabensburg zurück. Am 18. April wurde Altlichtenwarth zuerst kampflos den Russen überlassen, die zurückweichenden SS-Einheiten schanzten sich im Bereich des Hutsaulbergs und des Silberbergs ein. In der Nacht kam es zu einem Gegenstoß, und der Ort fiel bis zum Morgen des 20. April wieder in deutsche Hand. Die entsetzte Bevölkerung floh Richtung Westen, kaum 50 Leute blieben im Dorf zurück. Dann wurde es endgültig von den Russen eingenommen. Erst nach Wochen kehrten die Geflohenen zurück. Die Verluste waren groß: Auf dem "Heldenfriedhof" beim Kriegerdenkmal sind 59 deutsche Soldaten begraben. Das Grab der "Gefallenen Russischen Soldaten" auf dem alten Friedhof gibt 27 tote Rotarmisten an. Unter der Zivilbevölkerung gab es vier Todesopfer. 50 Gebäude waren total vernichtet, davon 43 durch Brand und sieben durch Treffer. 40 Gebäude wurden durch Treffer teilweise zerstört. Kein einziges Haus blieb ohne Schaden. Nach dem Zweiten WeltErieg hat die ursprünglich rein bäuerliche Bevölkerung einen beträchtlichen Wandel durchgemacht. Der Anteil an Pendlern hat infolge kaum vorhandener Arbeitsmöglichkeiten im Dorf immer mehr zugenommen. Auf Grund der wirtschaftlich schwachen Struktur ist die Region nach wie vor Abwanderungsgebiet. Rasch zunehmend hingegen ist der Anteil der Zweitwohnbesitzer aus Wien. Der von der Landwirtschaft lebende Bevölkerungsteil ist heute in der Minderzahl. Die hier geernteten Feldfrüchte wie Weizen, Mais, Braugerste, Zuckerrübe und Wein sind auf Grund der guten Bodenverhältnisse von hervorragender Qualität. Berühmt ist vor allem der "Grüne Veltliner", ein trockener, spritziger Weißwein.

Kruzifix, 18. Jahrhundert

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Pfarrkirche St. Nikolaus, Bauplan nach Friedrich Dahm

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II. BAUGESCHICHTE UND BAUBESCHREIBUNG

Am 4. Dezember 1994 wurde die Pfarrkirche St. Nikolaus nach dreij ähriger Generalsanierung in einem festlichen Akt neu geweiht.

Im Zuge der Renovierung wurde eine umfangreiche archäologische Grabung im Kircheninneren sowie eine neue kunsthistorische Untersuchung der Baugeschichte des mittelalterlichen Baus vorgenommen. Durch diese Arbeiten konnte erstmals eine schlüssige Erklärung der komplexen Bauabfolge erstellt weden.

Die Kirche besteht aus einem Hauptschiff und einem südlichen Seitenschiff. Einbezogen in das Seitenschiff ist die freskierte Seitenkapelle als Ostabschluß. Östlich der Seitenkapelle erhebt sich der markante Turm mit dem Spitzhelm.

Bauphasen

Ihre Gestalt erhielt die Kirche im wesentlichen durch vier B auphasen, deren letzte und für die heutige Erscheinung verantwortliche in den Zeitrraum von 1450/60 zu datieren ist. Die Kirche ist also in ihrer Gesamterscheinung ein durchwegs mittelalterlicher Bau.

Bauphase 1(12. Jahrhundert)

Der älteste bestehende Teil der Kirche ist das Langhaus des Hauptschiffs, das ursprünglich flachgedeckt war und dessen romanische Rundbogenfenster an der Nordfassade freigelegt wurden. Diese erste Bauphase reicht in das 12. Jahrhundert zurück. Damals hatte die Kirche einen rechteckigen Chorabschluß, der bei der archäologischen Grabung in der Kirche im Jahr 1993 zu Tage gekommen ist. Aus dieser Zeit stammt auch der im Bereich des heutigen Seitenschiffs ergrabene romanischeTrie~hof.

Bauphase 11(1230/1240)

Eine wesentliche Umgestaltung erfuhr die Kirche um 1230/1240. Der Rechteckabschluß wurde abgebrochen und das Chorquadrat mit dem zu diesem Zeitpunkt sehr modernen polygonalen Chor (5/8-Schluß) errichtet. Bemerkenswert ist vor allem der plastische Schmuck im Bereich des Chorquadrats, der Vergleiche mit der Michaelerkirche in Wien sowie der Kirche von Schöngrabern zuläßt. Auch Schmuckelemente im Kreuzgang des Stiftes Heiligenkreuz sind als Vorbild heranzuziehen. Der plastische Schmuck zeigt vegetabile Formen wie Weinlaub und Weintrauben.

Hauptschiff südlicher Wandpfeiler im (:hor; vegetabiler Schmuck mit Weinlaub und Weintrauben (1230/1240)

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Archäologische Grabung

Die archäologische Grabung 1993 brachte 44 Gräber mit insgesamt 71 Skeletten im Kircheninneren zu Tage. Im Bereich des heutigen Seitenschiffs wurde der romanische Friedhof mit 15 Bestattungen ergraben, der zur Belegungszeit noch außerhalb der damaligen Kirche gelegen ist. Das gesamte Langhausinnere war bis in das 17. Jahrhundert Begräbnisort für Kirchenstifter und deren Angehörige. Im Chorraum des Hauptschiffs wurden Priestergräber aus dem 16. und 17. Jahrhundert angetroffen, kenntlich an den charakteristischen Trachtbestandteilen.

Eingehend untersucht wurden die Reste des aufgefundenen Schuhwerks, wobei besonders ein Stiefelfragment aus dem 15. Jahrhundert hervorzuheben ist. Die archäologischen Funde werden gemeinsam mit einer Schautafel, auf der die Grabungsergebnisse zusammengefaßt sind, in der Kirche gezeigt.

In der "Gruft" unter dem Chor des Seitenschiffs wurden sieben auf natürliche Art mumifizierte Individuen geborgen. Die Gruft wurde darüberhinaus als Beinhaus verwendet. Die Mumien wurden eingehend anthropologisch untersucht und haben wieder ihre letzte Ruhestätte am Auffindungsort gefunden. Nach den Sargresten sind die Toten dem 18. Jahrhundert zuzuordnen, wobei es sich bei einem der Bestatteten um den 1720 verstorbenen Adeligen Johann Heinrich von Weigelsfels, den Vater des damaligen Pfarrers, handeln dürfte.

Blick in dieSeitenkapelle

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III. INNENAUSSTATTUNG

Fresken

Die berühmten Fresken der Seitenkapelle entstanden um 1310 mit der Errichtung der Privatkapelle. Gleich am "Eingang", in der Laibung des Triumphbogens, finden sich im oberen Bereich Darstellungen von Propheten. Sie halten in der einen Hand Spruchbänder, mit der anderen deuten sie zum Altar, dem Ort der Eucharistie. Sie verheißen damit das Kommen des Erlösers.

 

 

 

Dem Altar zugewandt sind auch zwei Stifterfiguren, ein Mann und eine Frau. Sie sind gleichfalls in der Laibung des Triumphbogens situiert, ordnen sich allerdings hinsichtlich ihrer Größe und Plazierung im Sockelbereich deutlich den Prophetendarstellungen unter. Mit ihrem Gebet und ihrer frommen Stiftung erhofften sie sich einen Platz im Himmelreich. In der nächsten "Stufe", die sich durch die Nähe zum Altar ausdrückt, finden sich an den Wandflächen der Apsis, in Dreiergruppen angeorduet, die 12 Apostel. Eindeutig zu erkennen sind Petrus mit dem Schlüssel und Paulus mit dem Schwert.

Daraber, in den Schrägen der Apsisfenster, sind Engel und Chernbim (kenntlich an den drei Flügelpaaren) dargestellt. Sie deuten auf die zweite Wiederkunft Christi hin, also auf das Jüngste Gericht. Bemerkenswert sind die Stuckapplikationen, die die Gewandsäume und Heiligenscheine plastisch hervortreten lassen. Bei manchen Figuren wurden sie später abgeschlagen. 

Den Gewölbebereich ziert ein Sternenhimmel auf tiefblauem Grund als Sitz Gottes und damit als oberste Stufe der Hierarchie.Die Fresken zählen auf Grund des geschlossenen ikonographischen Programms und der künstlerischen Qualität zu den bedeutendsten malerischen Ausstattungen des frühen 14. Jahrhunderts in Niederösterreich.

An der Nordwand der Kapelle finden sich zwei Darstellungen aus späterer Zeit: derErzengel Michael mit Schwert und Waage als Seelenwägerund die Madonna mit Kind auf der Mondsichel. Diese Darstellungen nehmen auf das frühere Programm nicht Bezug und sind aus stilistischen Gründen um 1470, also nach Abschluß der Bauphase IV, zu datieren. Aus der gleichen Zeit dürfte eine nur mehr in Umrissen erkennbare Figur an der Westseite der östlichen Arkade stammen.  

Die Fresken wurden 1937 freigelegt und 1994 einer eingehenden Restaurierung unterzogen. Der barocke Altar, der sich hier befand, wurde entfernt, um eine entsprechende Sicht zu ermöglichen. Die ursprünglich auf einem Seitenaltar aufgestellte spätgotische Madonna erhielt, auf einem Steinsokkel *eigestellt, einen würdigen Platz in der Kapelle.

Weitere Ausstattung

Bemerkenswert ist vor allem die bereits erwähnte spätgotische Holzskulptur einer Madonna mit Kind (um 1500). Die im unteren Bereich stark abgewitterte Figur wurde im 19. Jahrhundert etwa bis zur Höhe der Knie erneuert.

Der barocke Marmorhochaltar wurde von Pfarrer Plack um 1760 gestiftet. Das Altarblatt "St. Nikolaus führt die Kinder zu Jesus" nimmt Bezug auf das Patrozinium der Kirche. Das Bild ist 1892 datiert, als Maler wird J. M.Trenkwald, Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien, genannt. Es ist ein Geschenk des Fürsten Liechtenstein. Im Hintergrund ist die Altlichtenwarther Pfarrkirche dargestellt.

Bemerkenswert sind weiters die barocke Kanzel und der barocke Josefsaltar aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie ein monumentaler Kruzifixus von guter Qualität, ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert. Die Kreuzwegstationen wurden 1818 gestiftet. Die Orgel ist ein Geschenk des Fürsten Liechtenstein und wurde 1885 von den Brüdern Rieger aus Jägerndorf (Nordmähren) gebaut.

Im Zuge der Restaurierung erhielt die Kirche 1994 einen neuen Volksaltar aus Sandstein sowie eine neue Bestuhlung mit integrierter Bankheizung

 

Dr. Richard Edl 

Literatur: Friedrich Dahm, Zur Frage der "Gesetzmäßigkeit" in der Baugenese mittelalterlicher Sakralarchitekturen. Am Beispiel der Pfarrkirche St. Nikolaus in Altlichtenwarth. In: ÖZKD, Sonderdruck o. J. (1996). - Dehio-Handbuch, Niederösterreich nördlich der Donau, Wien 1990. - Richard Edl (Hg.), Altlichtenwarth. Pfarr- und Alltagsgeschichte, Eigenverlag der Gemeinde Altlichtenwarth 1994. Ders., Zur Funktion der Erdställe von Altlichtenwarth. In: Der Erdstall Nr. 21, Roding 1995. - Ders., Beiträge in den Pfarrbriefen der Pfarre Altlichtenwarth, 1993-1996. - Manfred Macek, Die Schuhe aus der Pfarrkirche H1. Nikolaus in Altlichtenwarth. Unveröffentlichtes Manuskript (1996) im Archiv des Verfassers. - Franz Sauer, Uber die archäologische Grabung in der Pfarrkirche Altlichtenwarth. In: Jahresbericht 1993 der Abteilung für Bodendenkmale.

Fresken:Prophet und Stifterpaar in der Laibung des Triumphbogens

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Fresken der Seitenkopelle: Apostel Petrus (links) und Cherub (rechts)

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Fresken: Madonna mit Kind (links)und Erzengel Michael (rechts) um 1470 darunter in Dreiergruppen angeordnete Apostel, um 1310

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Bild des sterbenden hl. Joseph am barocken Josephsaltar

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